Work = Life

...wenn wir also die Arbeit vom Leben nicht trennen. Wenn wir es zulassen, dass Arbeit Leben ist, was passiert dann mit uns? Die Antwort auf diese Frage hängt damit zusammen, ob es sich bei diesem Schritt „nur“ um ein Gedankenexperiment handelt oder ob dieser Schritt die Folge eines eingetretenen Bewußtseinswandels ist. Ich betone diesen Unterschied deswegen, weil ein Gedankenexperiment in der Regel viel weniger Kraft hat einen Wandel zu bewirken, da es bei der Person, die sich etwas denkt, zu keiner oder nur zu einer geringen Verkörperung des Gedachten kommt. Mit anderen Worten: die Verkörperung ist das ganzheitliche und damit umfangreiche und deswegen auch wirkungsvolle So-Sein im jeweiligen Augenblick des Lebens. Noch einfacher formuliert: entweder sind wir gerade jetzt glücklich oder wir denken uns etwas aus, was uns vielleicht glücklich machen könnte. Im ersten Fall sind wir einfach anders da als im Zweiten, obwohl wir in beiden Fällen das gleiche tun können, z.B. Staubsaugen. Auch Personen, die gerade in unserer Umgebung sind, können dies sogar noch besser bemerken als wir selbst.  

Bleiben wir mal kurz beim Staubsaugen. Es kann sein, dass wir diese Arbeit nicht mögen und es uns sogar leisten, sie an jemanden zu delegieren. Wir quittieren das Einstellen einer Reinigungshilfe mit der Bemerkung, „Wir hätten im Leben was besseres zu tun“. Ähnlich kann es dem Bügeln, dem Kochen, dem sich Kümmern um unsere alt und schwach gewordenen Familienmitglieder oder dem Spielen mit unseren Jüngsten ergehen. Genauer genommen können wir eine ganze Menge an Alltagstätigkeit wegdelegieren und wir tun es auch. Interessant aber ist die Denkweise, welche uns dazu bewegt. Wir denken uns nämlich, dass wir „nur“ das loswerden, was uns das eigentliche schöne Leben schwer oder gar unmöglich macht. Wir meinen, wenn alles das, was wir nicht mögen, wegfällt, dann bleibt uns nur noch das übrig, was wir mögen, nämlich reines glückliches Leben. Seltsamerweise stimmen mal wieder Gedanken mit der Wirklichkeit nicht überein. Warum? Mit dem Wegdelegieren von unliebsamen Tätigkeiten dringen wir überraschenderweise nicht zum glücklichen Kern des Lebens vor, sondern stellen überrascht fest, dass uns eher etwas fehlt, als dass wir etwas hinzugewonnen hätten. Erstaunt erleben wir ein seltsames Paradoxon, dass uns das, was wir nicht mochten, fehlt und zwar auch dann, wenn wir es weiterhin nicht wirklich gerne täten. Was nun? Haben wir uns etwa getäuscht? Und wenn ja, dann wann und wo?

Schauen wir uns mal etwas genauer an, wie es zu dieser Täuschung kommen könnte:
Möglicherweise liegt der Täuschung eine alte, von Generation zu Generation vererbte, nonverbale Annahme zugrunde, wonach das Leben eine Art von neutraler Größe sei, die aus angenehmen und unangenehmen Handlungen besteht. Und je nach Handlung und Tätigkeit wird dieses Leben eben als angenehm oder unangenehm empfunden. Je mehr angenehme Handlungen umso angenehmer das Leben und umgekehrt. Die Regel ist klar und einleuchtend und vor allem sehr leicht zu befolgen. Vermutlich liegt darin ihr Erfolgsrezept. Nur das Ergebnis stimmt mit den Erwartungen nicht überein. Viele Personen nämlich, die es sich beispielsweise auf Grund ihres Vermögens leisten können, alles für sie Unangenehme weg zu delegieren, überzeugen weder sich selbst noch andere mit einem zufriedenen oder gar glücklichen Leben. Der Irrtum scheint also in der grundsätzlichen Annahme über das zu liegen, was wir als „Leben“ bezeichnen.

Also schauen wir uns den ersten Schritt, nämlich die übernommene Annahme über das Leben an. Hier fällt auf, dass wir das Leben vor den unangenehmen Handlugen und Erlebnissen schützen, ja am liebsten absondern möchten. Das ist zwar als Wunsch nachvollziehbar, problematisch wird nur die unmittelbare Folge, die mit dieser Annahme übersehen wird. Wir meinen nämlich, dass wir uns vor den schlimmen Seiten des Lebens wirklich schützen können. Und damit begehen wir wohl mit einem Gedanken gleich drei Fehler. Der Erste liegt darin, dass wir das Leben mit uns selbst gleichsetzen. Der Zweite folgt aus dem Ersten und zeigt sich darin, dass wir, nahezu ausschließlich aus unseren konditionierten und meist unreflektierten menschlichen Empfindungen heraus das unendlich weite und komplexe Ereignis, genannt Leben, beurteilen und verändern wollen. Der dritte Fehler liegt in der Annahme, dass sich das Leben nach Belieben, unterteilen, trennen und mundgerecht in die jeweilige persönliche Komfortzone einverleiben lässt.

Wenn wir diese und eine Menge weiterer Fehler in unseren Grundannahmen über das Leben erkennen, dann kann es zu einer Art Erschütterung unserer Fundamente kommen. Und diese Erschütterung ist Wort Wörtlich gemeint. Sie ist so etwas wie der Beginn der Verkörperung einer Einsicht, die uns wirklich wichtig sein kann: Alles ist Leben. Betonung liegt hier auf „Alles“! ...

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